Gehwege für Alle

  • Veröffentlicht: Sonntag, 27. März 2022 17:31

Es blieb niemandem verborgen. Nachdem sich im vergangenen Jahr zumindest in Teilen des Stadtteils die Straßenverkehrsordnung wieder eingestellt hatte, wurden seit Ende des Jahres 2021 einige Gehwege saniert. Die Arbeiten dauern zum Teil noch an. Aber der Reihe nach.

Unterwegs mit Friedemann Goerl

Am 14. Juli 2021 lud der Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V. den Fußverkehrsverantwortlichen der Stadt Friedemann Goerl zu einer „Inspektionsrunde“ durch den Stadtteil. Der Bürgerverein bat ihn um seine Meinung zu den Fußverkehrsanlagen und dem allgemeinen Zustand des öffentlichen Raums. Schließlich hatte der Stadtrat 2018 mit der Mobilitätsstrategie 2030 eine Stärkung des Umweltverbundes beschlossen – also die Förderung des Fuß-, Rad-, und öffentlichen Personennahverkehrs. „Was schon auffällig ist in Anger-Crottendorf, sind die Bordsteinhöhen“, gab Goerl damals zu. „Da gibt es viel Nachholbedarf was Absenkungen angeht.“ Aber nicht nur dort gibt es viel zu tun: Unebene Gehwege, auf denen sich bei Regen große Pfützen bilden, Stolperfallen, sowie fehlende oder unvollständige Gehwegbeziehungen lassen sich an allen Orten im Stadtteil finden.

Gehwegvorstreckungen

Ändern sollte sich das mit einer ersten Baumaßnahme an der Sellerhäuser Straße Ecke Stünzer Straße. Seit 22. November 2021 entstanden dort Gewegvorstreckungen, abgesenkte Borde mit taktilem Leitsystem, Fahrradbügel, sowie eine regelkonforme und nutzbare Feuerwehrzufahrt für die Häuser Sellerhäuser Straße 8 und 10. Mit den Gehwegvorstreckungen steigt die Verkehrssicherheit auf dem Schulweg – aber nicht nur für Schulkinder. Zufußgehende sind für andere Verkehrsteilnehmende besser sichtbar und der Weg über die Fahrbahn verkürzt sich. Mit dem taktilen System wird Menschen mit Sehbehinderungen das Queren der Straße erleichtert. Radfahrende haben nun sichere Abstellplätze. Von den 18 Plätzen werden jetzt schon in der kalten Jahreszeit die Hälfte genutzt. Autofahrende sorgen nicht mehr für Gefährdungen im Kreuzungsbereich, weil sie die Ecken zuparken. Es wird vielmehr das Einparken erleichtert, weil ihnen der Parkraum durch Borde vorgegeben wird.

Der Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V. hatte sich im vergangenen Jahr mittels eines Antrages zum Doppelhaushalt 2021/22 für die Finanzierung dieser Maßnahme stark gemacht.

Aktuell gibt es zwar noch Probleme mit notorischen Falschparkern, die einen Teil der abgesenkten Borde und die Feuerwehrzufahrt ignorieren. Der Bürgerverein steht diesbezüglich in Kontakt mit verschiedenen Ämtern der Stadt. Eine Lösung wird sich einstellen.

Weitere Gehwegsanierungen

An diese Baumaßnahme schlossen sich verschiedene Sanierungen von Gehwegen an. Der nördliche Teil der Neumannstraße erhielt neue Gehwegplatten. Die Fahrbahn bekam auch eine neue Asphaltoberfläche spendiert und komplettiert damit die neue Fahrbahn in der gesamten Neumannstraße. Aus dem Verkehrs- und Tiefbauamt heißt es dazu: „Im Vorfeld der Deckensanierung wurde auch der Gehweg nochmals auf notwendige Reparaturen überprüft. An dem Plattenbelag wurden dabei diverse, großflächige Schäden festgestellt. Neben gebrochenen und lockeren Platten gab es Pfützen vor den unmittelbaren Hauseingängen. Eine kleinteilige Reparatur war deshalb nicht möglich und es wurde die Reparatur der gesamten östlichen Seite veranlasst.“

Auch hier ist noch einmal festzustellen, dass das widerrechtliche Beparken des Gehweges einen großen Beitrag zu den „diversen, großflächigen Schäden“ geleistet hat. Der Unterbau von Gehwegen ist für die hohen Gewichte von Fahrzeugen nicht ausgelegt und gibt nach. Die Folge sind gebrochene Oberflächen. Wenn Gehwege beparkt werden sollen, dann muss der Unterbau verdichtet werden, wie 2020 in der Gregor-Fuchs-Straße (auf dem alten Radweg) geschehen. Gelder dafür sind nicht da. Die dazu nötigen breiten Gehwege sowieso nicht.

Die mittlere Stünzer Straße erhielt auch ein neues Gehwegpflaster (gleiches Problem wie in der Neumannstraße). In Höhe der Borsdorfer Straße wurde ein Loch, welches immer zur Pfützenbildung neigte, asphaltiert. Und auch der Gehweg in den Ramdohrschen Park erhielt eine ausgebesserte Oberfläche. In der Friedrich-Dittes-Straße wurden Teilbereiche, welche starke Pfützenbildung aufwiesen, nur ausgebessert. Dort im nördlichen Teil wurde ein bisher unbefestigtes Teilstück mit einer Asphaltierung ausgestattet.

An der Ecke Friedrich-Dittes-/  Gregor-Fuchs-Straße wurde zum Redaktionsschluss noch gearbeitet. Dort wird an einer besseren Wegebeziehung über die Gregor-Fuchs-Straße gewerkelt. Im Sommer 2021 gab es hier ein längeres Gespräch mit Friedemann Goerl. Denn diese Stelle passieren viele Schülerinnen und Schüler der Sprachheilschule Käthe-Kollwitz, die in der Friedrich-Dittes-Straße ihren Hort und in der Karl-Vogel-Straße ihre Schule haben. Aus dem Verkehrs- und Tiefbauamt heißt es dazu: „Als Maßnahme zur Schulwegsicherung wurde zur Freihaltung der Querungsstelle im Verlauf der Mittelinsel über die Gregor-Fuchs-Straße (Bereich des zur Parkfläche umgebauten Radweges) eine Sperrfläche mittels verkehrsrechtlicher Anordnung angeordnet. Die Markierung wird, sobald die Witterungsverhältnisse es zulassen, im Frühjahr 2022 aufgebracht.“

Der Schulweg in Höhe der grünen Mittelinsel ist aktuell auch in einem erbärmlichen Zustand. Für diesen Abschnitt ist allerdings nicht das Verkehrs- und Tiefbauamt sondern das Amt für Stadtgrün und Gewässer zuständig. Der Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V. versucht zur Zeit auf eine Befestigung des Weges hinzuwirken, ähnlich wie in Höhe der Mascovstraße. Denn bei Regen ist dieser Abschnitt überflutet, das Wasser steht tagelang. Die Folge ist ein Ausweichen von Zufußgehenden und damit ein Austreten der Rasenränder, die dann eben nicht mehr grüner Rasen sind. Ein wasser-gebundener Weg muss immer gepflegt werden, damit dieser wasserdurchlässig bleibt und sich keine Pfützen bilden. Eine Pflege, die sich die Stadtverwaltung – nicht nur in Anger-Crottendorf – sehr oft einspart. Darum wäre eine Befestigung (Pflaster, Asphalt) hier sinnvoll. Und zur eben angesprochenen Querung in Höhe der Mascovstraße heißt es aus dem VTA: „Ob wegen des umgebauten Radweges als Parkfläche auch eine Fläche (Sperrfläche a.d.R.) zur Gewährleistung der Querung der Gregor-Fuchs-Straße im Verlauf der Mascovstraße erforderlich ist, wird durch die Straßenverkehrsbehörde noch geprüft.“

Fazit

Das seit Jahren unermüdliche Arbeiten des Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V. im Bereich der Mobilität trägt inzwischen seine ersten Früchte. Gehwege für Alle und Gehwege überall ist die Grundvoraussetzung um mobil zu sein. Ja, auch Autofahrende sind zu Fuß unterwegs. Somit ist der Anfang gemacht.

Wenn die Menschen mehr zu Fuß gehen sollen im Rahmen der Mobilitätsstrategie 2030, dann muss dafür auch die passende Infrastruktur vorhanden sein. Es kann dann auch auf ein Auto verzichtet werden, wenn die Menschen anderweitig mobil sein können – sicher, zügig, bequem.

Wenn die hier angesprochenen Maßnahmen dann abgeschlossen sein werden, haben es die Bürgerinnen und Bürger in der Hand, wie lange der Sanierungszustand erhalten bleibt und das Gehen durch den Stadtteil ungehindert und ungefährdet möglich ist. Sollte dafür niemand Verantwortung übernehmen, wird der jetzige Zustand nicht lange bestehen bleiben und die Wege wieder Schäden aufweisen.

Es sollte also im Sinne aller sein, wenn die Gehwege ausschließlich von denen genutzt werden, für die sie vorgesehen sind.




MiLO hat den Blick auf den Leipziger Osten

  • Veröffentlicht: Sonntag, 27. März 2022 17:09

Im Netzwerk „Verkehrswende Leipzig“ sammeln sich alle interessierten Menschen, die stadtweit die Verkehrswende mitgestalten möchten. Der Leipziger Osten hat aber noch seine eigenen Qualitäten und Potentiale. Im vergangenen September organisierte der Ostwache Leipzig e.V. und der Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V. die Aktion zum Quartiersbus. Aus dieser Zusammenarbeit entstand das*MiLO – Mobil im Leipziger Osten – und vernetzt seitdem alteingesessene Akteure mit neuen im Osten der Stadt.

"Es macht ja keinen Sinn, wenn der Bürgerverein Sellerhausen-Stünz e.V. einerseits und der sich neugegründete Verein SUPERBLOCKS Leipzig e.V. je ein eigenes Radnetz spinnen und an der Stadtteilgrenze aufhören darüber nachzudenken. Im Gegenteil, die Idee von MiLO ist es, dass sich die vielen klugen Köpfe miteinander austauschen und gemeinsam die Schwerpunkte des Verkehrs im Osten angehen", sagt Iris Busch vom Bürgerverein Sellerhausen-Stünz e.V. "In manchen Beteiligungsformaten, wie beispielsweise zum Parkbogen Ost,  haben wir uns immer wieder getroffen und festgestellt, dass wir ähnliche Interessen haben und wir wollten unsere Kräfte bündeln." Nach der Aktion mit dem Quartiersbus möchte sich das Netzwerk für stadtteilübergreifende Planungen und Aktionen öffnen und zusammen die Mobilität im Rahmen der städtischen Mobilitätsstrategie 2030 für alle weiterentwickeln und verbessern.

So plant das Netzwerk u.a. anlässlich des diesjährigen Weltfahrradtages eine Radtour durch den inneren Leipziger Osten. Am 4. Juni um 11 Uhr startet die zweistündige geführte Runde an der Ostwache. "Wir wollen zeigen, dass es schon ein großes Potential an Radinfrastruktur gibt. Wir wollen aber auch zeigen, was noch fehlt, wo Gefahren lauern und welche Rechte Radfahrer*innen haben." erklärt Nele Bischoff vom MiLO-Orgateam. Die Tour endet wieder an der Ostwache, die am Nachmittag ihren Sommerauftakt feiern wird und dann zu Kaffee, Kuchen und Musik einlädt. Hier können sich Interessierte dann noch weiter über das MiLO informieren.

zum Artikel:
Das Netzwerk „Verkehrswende Leipzig“ arbeitet an der Mobilität von morgen





Das Netzwerk „Verkehrswende Leipzig“ arbeitet an der Mobilität von morgen

  • Veröffentlicht: Sonntag, 27. März 2022 17:03

In den nächsten Jahren werden auf Leipzig viele Veränderungen zukommen. Dazu gehört auch die Verkehrswende (auch Mobilitätswende). Der ACA hat in den letzten Jahren schon viel dazu geschrieben, schließlich ist dies kein Thema, welches erst seit kurzem auf der Tagesordnung steht.
Die Transformation im Verkehrsbereich begleitet das Netzwerk „Verkehrswende Leipzig“. Der ACA sprach mit Thomas Gentsch, Sprecher des Netzwerks.

Was ist „Verkehrswende Leipzig“ genau?
Das große Ziel von Verkehrswende Leipzig ist genau was der Name sagt: eine Verkehrswende in Leipzig. Darunter verstehen wir die konsequente Bevorzugung von umweltfreundlichen Mobilitäts- formen (zu Fuß, mit dem Rad, Bus oder Bahn, aber auch Sharing-Angeboten).
Das heißt nicht, dass wir die Autos ganz verbieten wollen oder Menschen, die eins nutzen, verdammen – das ist Unsinn. Mit Sinn und Verstand eingesetzt können Autos eine praktische Sache sein. Es geht darum, umweltfreundliche Mobilität zur ersten Wahl zu machen.

Wer steckt dahinter, wo ist „Verkehrswende Leipzig“ angebunden?
Formal sind wir ein „Projekt von Changing Cities e.V.“, in der Praxis ein Zusammenschluß von vielen engagierten Leipziger*innen. Einerseits sind wir selbst aktiv, versuchen aber auch, eine möglichst gute Vernetzung der passenden Leipziger Organisationen zu erreichen. Darüber hinaus wollen wir kleine Initiativen und Einzelpersonen motivieren und ihnen dabei helfen, selbst aktiv zu werden.

Warum braucht es die „Verkehrswende Leipzig“? Was sind eure Ziele in Leipzig?
In den letzten Jahren hat die Stadt Leipzig die richtigen Wege eingeschlagen und viele gute Konzepte und Planungen erstellt wie z.B. das Energie- und Klimaschutzprogramm (2014), das Nachhaltigkeitsszenario (2018), die Mobilitäts- strategie 2030 (2018) oder der Beschluß des Klimanotstands (2019). Leider zeigen aber die Erfahrungen, daß deren tatsächliche Umsetzung oft viel zu langsam, zu zaghaft und inkonsequent erfolgte – wir wollen durch zivilgesellschaftlichen Druck erreichen, dass das schneller geht.
Ebenso wollen wir aber auch die großen Probleme der auto-zentrischen Mobilität in die öffentliche Aufmerksamkeit rücken, um die Leipziger*innen zum Nachdenken anzuregen. Dies betrifft sowohl die durch die Autos hervorgerufenen Umweltschäden (Lärm, Luftver- schmutzung), Gefährdungen und Ressourcenverschwendung (öffentlicher Raum, enorme Kosten) als auch den großen Beitrag des Autoverkehrs zur herannahenden Klimakatastrophe.

Zur Europäischen Mobilitätswoche (EMW) im vergangenen Jahr gab es einen Rekordversuch (der ACA berichtete). Was hatte es damit auf sich? Was plant ihr für die kommende EMW im September?
Unser Weltrekordversuch der größten Gehzeugparade der Welt war anfangs eine Schnapsidee mit einem ernsthaften Hintergrund: Ein Gehzeug macht das absurde Missverhältnis der immer größer werdenden Autos zu der meist nur einen Person darin gut sichtbar.
Für dieses Jahr gibt noch keine festen Pläne, aber vielleicht probieren wir es noch einmal. Die 106 Gehzeuge im letzten Jahr haben unsere kühnsten Hoffnungen überschritten und uns ist kein größeres Ereignis bekannt, aber für das Guinness-Buch hatte es nicht gereicht – die wollten mindestens 250.

Von Januar bis März hat die Stadtverwaltung in eine Verkehrssicherheitskampagne aufgelegt und auf Werbeflächen für mehr Rücksichtnahme im Straßenverkehr geworben. Wie bewertest Du die Aktion?
Wir unterstützen die Kampagne ausdrücklich und wünschen uns ebenfalls mehr gegenseitige Rücksichtnahme. Trotzdem haben wir zwei Kritikpunkte: Die Stadt Leipzig schiebt damit Verantwortung von sich weg – durch mehr und konsequenteres eigenes Handeln könnte die Stadtverwaltung viel mehr an der Situation verbessern als durch diese Kampagne. Zum zweiten wird angedeutet, dass alle Mobilitätsformen gleich gefährdend seien – dies ist aber in keinster Weise der Fall. Wie Polizeipräsident Demmler selbst ausführt, werden sage und schreibe 94% der Unfälle durch Autofahrer*innen verursacht, ebenso führen tonnenschwere Fahrzeuge zu viel schlimmeren Folgen für die Opfer als zu Fuß oder mit dem Rad überhaupt möglich sind.

Auch in Anger-Crottendorf gibt es Verkehrsprobleme. Wie siehst Du die Situation?
Eines der größten Probleme in Anger-Crottendorf ist das gleiche wie überall in den enger bebauten Wohngebieten der Stadt: Es gibt einfach zu viele Autos, für die es keinen Platz gibt und der auch nicht irgendwoher gezaubert werden kann.
Umgekehrt sind aber auch sehr hoffnungsvolle Entwicklungen und Chancen sichtbar: Der stattfindende Generationswechsel mit vielen jungen Menschen zeigt, dass man auch ohne eigenes Auto gut leben kann. In Kombination mit einem gut ausgebauten öffentlichen Nah-Verkehr, wie zum Beispiel im September 2021 mit dem Quartiersbus erprobt, wäre quasi eine Verkehrswende im Kleinen im Stadtteil.

Die SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat hatte es im vergangenen Jahr erfragt. Bezüglich der Kontrolle des ruhenden Verkehrs durch das Ordnungsamt entsteht „durchschnittlich etwa 50 % des Arbeitsaufkommens durch operative Aufträge“ – also durch Privatanzeigen. Wie steht „Verkehrs-wende Leipzig“  zu Privatanzeigen?
Abgesehen von der sich stellenden Frage nach der Effektivität des Leipziger Ordnungsamtes beurteien wir diese Zahl als positiv: Es gibt immer mehr Menschen, die sich mit der bisherigen auto-zentrischen Verkehrspolitik und den dadurch verursachten Problemen nicht mehr abfinden wollen und von ihrem guten Recht Gebrauch machen, auf die Einhaltung der Verkehrsregeln zu pochen. Autos haben auf Geh- und Radwegen einfach nichts zu suchen.

Verkehrswende Leipzig
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zum Artikel
"MiLO hat den Blick auf den Leipziger Osten"

Am Beispiel Gohlis

  • Veröffentlicht: Sonntag, 27. März 2022 16:48

Während in Anger-Crottendorf einige Menschen auf Kosten der Allgemeinheit grüne Vorgärten abreißen wollen, um ihr privates Parkproblem zu lösen, läuft es im Stadtteil Gohlis genau andersrum. Dort werden demnächst Vorgärten ergänzt und Parkplätze verschwinden.

Am 8. Dezember 2021 verabschiedete der Leipziger Stadtrat die Vorlage der Verwaltung „Baubeschluss: Sanierung und Umgestaltung der Cöthner Straße und der Mottelerstraße“ (VII-DS-06363). Diese regelt die Sanierung der Cöthner Straße zwischen Motteler Straße und Sasstraße, sowie der Motteler Straße im Abschnitt nördlich der Georg-Schumann-Straße. Im Zuge der mehr als zweieinhalb Millionen Euro teuren Baumaßnahme werden die Fahrbahn und Gehwege saniert, Gehwegnasen und Fahrradbügel eingebaut, die Straßenbeleuchtung und Entwässerung  modernisiert, sowie mehr als 50 Bäume gepflanzt. Man baut quasi von Grundstücksgrenze zu Grundstücksgrenze auf dem gut 1.000 Meter langen Abschnitt. Soweit, so gewöhnlich.

Aus der Pressemitteilung zum Bauvorhaben: „Die Cöthner Straße und der Abschnitt der Mottelerstraße sind stark verschlissen, die Fahrbahnen sind unregelmäßig breit und haben zahlreiche Schlaglöcher. Durch den grundhaften Ausbau soll sich die Verkehrssicherheit und auch die Aufenthaltsqualität in dem Bereich verbessern. Die Gestaltung orientiert sich dabei an der historisch gewachsenen Situation. So wird der schadhafte Straßenbelag erneuert, beidseitig der dann 4,50 Meter breiten Fahrbahn werden Parkstreifen und Gehwege eingeordnet, so dass künftig auch PKW sicher aneinander vorbeifahren können. Radfahrerinnen und Radfahrer werden weiter auf der Straße geführt – dies ist im Nebennetz bei Tempo 30 üblich.“

Neu und damit ungewöhnlich ist, dass darüber hinaus zwischen Sasstraße und Reginenstraße vor den südlichen Hausfassaden Vorgärten ergänzt werden. Damit entfallen dort die Quer-Parkplätze und werden zu Längs-Parkplätzen. In der Vorlage heißt es: „Eine qualitätsvolle, ausgewogene Innenentwicklung umfasst die Sicherung, Entwicklung und Qualifizierung der öffentlichen Räume, um die Lebensqualität in den bestehenden Quartieren zu erhalten und weiter zu verbessern. Ziel ist die Umweltqualität in Leipzig zu verbessern, indem u.a. Lärmbelastung, Schadstoffimmissionen sowie gesundheitliche Belastung durch Überwärmung reduziert werden und ein nachhaltiger Beitrag zur notwendigen Anpassung an den Klimawandel geleistet wird.“

Mit der Neuanlage der Vorgärten wird also nicht nur ein fehlendes optisches Element ergänzt. Vorgärten*prägen große Teile von Gohlis und und steigern die Wohnqualität. Die Verwaltung ist sich auch klar, dass Grün vor den Häusern einen wichtigen Beitrag zur menschlichen Gesundheit leistet und den Folgen des Klimawandels entgegenwirkt. Das sind eigentlich keine besonderen Neuigkeiten und sollte doch nach Jahrzehnten der Umweltbewegung allen bewusst sein.

Doch gibt es Zeitgenoss*innen in Gohlis wie in Anger-Crottendorf die lieber auf einem Parkplatz wohnen. Und es gibt Parteien, denen diese hinterher laufen.

So war es dann auch wiederum nicht ungewöhnlich, dass es zu der o.g. Vorlage einen Änderungsantrag der AfD gab. Diese wollte der Verwaltung den Prüfauftrag erteilen, „nach Akquisition und Bereitstellung ersatzweiser Abstellmöglichkeiten für den ruhenden Verkehr“. Man witterte hier durch den Einbau der Bäume und den Tausch Quer- zu Längsparkern den Wegfall von Parkplätzen. Eine Anzahl nannte die Partei auch. Sie blieb aber im Unklaren, wie sie auf diese Anzahl  kam.

Völlig klar ist allerdings, dass man in beengten Stadträumen immer Kompromisse schließen muss. Und der Kompromiss für Gohlis war dann auch Parkplätze und (!) Bäume, sowie (!) neue Vorgärten. Zudem: Wo sollen denn neue Flächen für Parkplätze in einer dicht bebauten Stadt herkommen? Die Sanierung der Cöthner- und Mottelerstraße wird zudem weit in die Zukunft hinein Bestand haben. So schnell wird da nicht wieder gebaut. Da sollte also schon etwas Verständnis für die zukünftige Entwicklung der Stadt gegeben sein.

So war es dann auch wieder nicht ungewöhnlich, dass dem Änderungsantrag nur die AfD und die CDU zustimmten – zwei Parteien, die es sich nicht vorstellen können, dass die Einstellung Autos-für-*Alle auch Grenzen hat und Menschen heute auch anders mobil sind. Das Verständnis dieser Parteien ist eben von der Wiederbelebung der Vergangenheit geprägt.

Die Vorlage der Verwaltung „Baubeschluss: Sanierung und Umgestaltung der Cöthner Straße und der Mottelerstraße“ erhielt dann letztendlich doch eine breite Mehrheit, nur 11 Stadträt*innen enthielten sich.

Am Beispiel Gohlis kann also abgelesen werden, wie und wohin es in Leipzig geht. Und vielleicht lernen die, die in Anger-Crottendorf Vorgärten abreißen wollen, dass es keinen Sinn macht mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. Denn im Leipziger Stadtrat finden Anträge dieser Fraktion einfach keine Mehrheit – und in einem links-grünen Stadtteil kein gutes Echo.



„Lux“ statt Luxus im Generationen-Café

  • Veröffentlicht: Sonntag, 27. März 2022 16:41

An der Kreuzung Martinstraße/ Mierendorffstraße geht es links zum Gehweg ein paar schmuddelige, rutschige Stufen hinunter. Bis vor kurzem befand sich in dem unsanierten Eckhaus eine ungenutzte Ladenfläche, vorher ein fragwürdiger An- und Verkauf und noch früher das Ladenlokal einer rechtsextremen „Todesstrafe-für-Kinderschänder“-Initiative.

Seit Herbst 2021 sind die bis dahin ungeliebten Schmuddelstufen an manchen milden Abenden beliebte Sitzgelegenheiten. Denn an dieser Ecke hat im November das „Café Lux“ eröffnet. „Wir wissen, dass wir Teil der Gentrifizierung sind. Der Leipziger Osten ist eine linke Blase mit vielen jungen Zugezogenen. Ältere und Einheimische haben mit denen oft wenig zu tun. Wir sind offen für alle Menschen im Stadtteil, nicht nur für ein bestimmtes Milieu“, sagt Arne, der das Café gemeinsam mit Freya und Nina betreibt.

Die beiden jungen Frauen kennen sich durch ihr Engagement beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Zum Aufbau eines Cafés im Leipziger Osten suchten sie Partner. So kam Arne dazu. Die drei besichtigten dutzendfach Immobilien, erstellten einen Businessplan, bekamen Mittelstandsförderung durch die Stadt und schließlich auch Kredit von einer Bank. Die Bank vermittelte ihnen einen Makler, der den Dreien zunächst keine finanzierbare Immobilie anbieten konnte. Außer eben die heruntergekommenen Räume in der Martinstraße. Ein Glücksfall!

Im Mai 2021 startete der Innenausbau. „Wir haben alles selbst gemacht. Zwei Monate sollte es dauern, fünf haben wir gebraucht. Das lag vor allem an den nötigen Brandschutzmaßnahmen“, erzählt Arne. Am Ende bekamen alle Bewohner*innen des Hauses einen Brief und eine Einladung zur Eröffnung im November – Essen und Trinken frei.

Zwei Monate später: Es ist Freitagnachmittag. Das Café füllt sich mit Gästen. Leise läuft erst Bossa Nova, dann Swing. An den Wänden hängen großflächige Bilder von Muriel Borrmann. Arne berichtet: „Alle zwei Monate wollen wir mit einer Vernissage eine neue Ausstellung eröffnen. Als wir auf Instagram um Künstler*innen geworben haben, bekamen wir nicht weniger als 40 Rückmeldungen!“ Der lichte Gastraum wirkt einladend*und auch die Toilette ist stilvoll und unterhaltsam: Hier erklingen Wortbeiträge vom Band in Dauerschleife. Für Live-Lesungen und Konzerte gibt es im Saal eine kleine Bühne. Abhängig von den Corona-Maßnahmen sollen die Öffnungszeiten ausgeweitet werden. Dann wird es auch Tatort-Abende geben, Beamer und Leinwand hängen bereit. Und im Sommer, wenn die Stufen vor dem Café nicht mehr ausreichen, ist ein Freisitz geplant. Und ein Eisverkauf. „Schließlich haben wir in der Nachbarschaft eine Grundschule“, sagt Arne.

Nachbarschaft ist Freya, Nina und Arne wichtig: Stammgäste des Cafés haben eine Nachbarschaftshilfe aufgebaut und einen Verein gegründet, der Veranstaltungen im „Lux“ organisiert.  Doch das Publikum soll vielfältig sein – „Generationen-Café“ ist das Stichwort: Wenn Jung und Alt aufeinandertreffen, kann es schnell zu Konflikten kommen: Die einen schimpfen auf „die Jugend von heute“, die anderen stören sich an den Geschichten der „Ewig-Gestrigen“, die manchmal alles besser zu wissen scheinen. Wer sich aber die Zeit nimmt und aufeinander einlässt, merkt vor allem eins: Es gibt vieles, das man voneinander lernen kann. Im Alltag haben die Menschen doch oft nur mit denen zu tun, die sich in der eigenen „Alters-Blase“ befinden. Gerade Begegnungen mit Senior*innen finden für viele – wenn nicht gerade in der Arbeit – ausschließlich im Familienverband statt. Sowohl Jung als auch Alt bleibt zum Großteil unter sich.

Dabei gibt es viele Gemeinsamkeiten – und sei es die Vorliebe für Kuchen: „Uns ist aufgefallen, dass die Generationen heutzutage nur wenige Berührungspunkte haben. Oftmals sind ältere Menschen in Café-Konzepten auch gar nicht vorgesehen“, kritisiert Nina. Die Idee zum Generationen-Café hatte die 30-Jährige bereits seit einigen Jahren im Kopf.

„Wir wollen ein Café, in dem sich alte und junge Menschen wohlfühlen, das alle Generationen verbindet“, sagt Arne. „Wir verzichten auf englische Modewörter und bei uns gibt es nicht nur Latte Macchiato, sondern auch Filterkaffee.“

„Lux“ ist nicht Englisch und modern, sondern altmodisches Latein. Es bedeutet „Licht“. Vielleicht bringt das neue „Generationen-Café“ mehr Licht und Wärme in die Martinstraße, eben „Lux“ statt Luxus.

Café Lux
Martinstraße 13

Öffnungszeiten z.Z.:
Di-Fr 14-22 Uhr, Sa 14-22 Uhr, So 14-17 Uhr

Infos und Aktuelles, unter:
www.luxleipzig.de
www.instagram.com/luxleipzig
https://www.facebook.com/Café-Lux-113648257645823







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