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Veröffentlicht: Dienstag, 12. Januar 2021 16:06
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Im September hat das Amt für Statistik und Wahlen den neuen Quartalsbericht veröffentlicht. Die erste statistische Auswertung für das Jahr 2020 erschien also erst im Herbst – ungewöhnlich.
Da spielt die Pandemie sicher auch eine Rolle, ausschlaggebend waren aber die Wahlen (Europa, Stadtrat, Ortschaftsrat, Landtag, OBM) der letzten eineinhalb Jahre, welche Kräfte im Amt banden und eine statistische Betrachtung zu den Veränderungen in der Stadt verzögerten.
Nun ist der Statistische Quartalsbericht I/ 2020 da. Das ist ein guter Anlass, um ganz generell mal auf ein paar Zahlen zur Entwicklung im Stadtteil der vergangenen Jahre zu schauen. Was ist passiert zwischen 2009 und 2019?
Anger-Crottendorf wächst, wird jünger und autoärmer
In den vergangenen zehn Jahren wuchs die Einwohnerzahl in ganz Leipzig enorm. Die Stadt stand jahrelang deutschlandweit an der Spitze mit einem Nettowachstum von mehr als 10.000 Menschen. Lange Zeit noch verschlafen – in einigen Dingen auch heute noch – wuchs die Einwohneranzahl auch in Anger-Crottendorf. Von 2009 bis 2019 stieg diese um ein gutes Viertel auf jetzt 12.057. Gleichzeitig stiegen auch die Baugenehmigungen für Wohngebäude kontinuierlich. Wurde in den Nullerjahren jedes Jahr nur eine einstellige Anzahl an Wohngebäuden im Stadtteil saniert, stieg diese Zahl in den Zehnerjahren auf eine zweistellige Anzahl jedes Jahr. Inzwischen sind unsanierte und unbewohnte Gebäude in Anger-Crottendorf eine Ausnahme.
Das Durchschnittsalter sank seit 2009 um drei Jahre auf 36,9. Die Jugendquote (Zahl der Einwohner im Alter von unter 15 Jahren zur Zahl der Einwohner im Alter zwischen 15 bis 64 Jahren) sank um ein halbes Prozent auf 18,5%. Aber ebenso sank die Altenquote (Zahl der Einwohner im Alter ab 65 Jahren zur Zahl der Einwohner im Alter zwischen 15 und 64 Jahren). Diese sank sogar stärker als die Jugendquote, von 26,0% auf 17,4%. Die Anzahl der Haushalte wuchs um ein Drittel, die meisten sind 1 Personen-Haushalte (60%).
Liest sich also so, dass ein Großteil junger Menschen dazu gekommen ist, die studieren, lernen oder ihre Karriere in Leipzig starten bzw. fortsetzen. Menschen mit einem strukturierten Alltag und mit gefestigten Bindungen sind auch weniger kriminell. Die Anzahl der Straftaten pro 1.000 Einwohner stieg in den letzten zehn Jahren nur um 7%. Anger-Crottendorf ist also ähnlich kriminell wie 2009, trotz des starken Bevölkerungswachstums. Oder anders ausgedrückt, die „Ureinwohner“ waren damals deutlich krimineller als die heutige Gesellschaft.
Die Anzahl der privaten PKW im Stadtteil stieg in der Zeit um 25% und ist im Stadtvergleich (336 PKW auf 1.000 Einwohner) unterdurchschnittlich (275). Zudem ist Anger-Crottendorf einer von drei Stadtteilen in denen die Anzahl der privaten PKW je 1.000 Einwohner über 18 Jahren von 2018 auf 2019 am stärksten zurückging (-5) – auf 325 private PKW auf 1.000 Einwohner über 18 Jahren.
Hinweis: In der Sommerausgabe des Anger-Crottendorfer Anzeiger findet sich die Zahl, dass „über 70% der Einwohnenden gar kein Auto“ haben. Diese Prozentzahl bezieht sich auf alle Einwohnenden, also auch Kinder. Im Quartalsbericht I/ 2020 gibt es nun eine weitere Spalte in der der Fahrzeugbesatz „je 1.000 Einwohner über 18 Jahren“ ausgewiesen wird. Dort findet sich die Zahl 325 private PKW. Wie man es auch dreht und wendet, die Mehrheit der Menschen in Anger-Crottendorf hat kein Auto und ist trotzdem mobil.

Wie weiter Anger-Crottendorf?
Das Anger-Crottendorf in einer wachsenden Stadt nun auch erwacht ist ein gutes Zeichen. Junge Menschen siedeln im Viertel, wohnen nicht nur für kurze Zeit, sondern leben hier. Mit dem Wachstum in der jungen Kohorte geht aber auch einher, dass diese Familien gründen und Kinder bekommen. Dann braucht es mehr Kitas und Schulen. Da dies lange nicht auf der Agenda der Stadtverwaltung stand, muss nun zügig aufgeholt werden. Und es ist schon viel passiert. Der Campus Ihmelsstraße entsteht und wird sich für vielfältige Aktivitäten im Quartier öffnen. Die Grundschulen sind durchsaniert, aber fast voll (mehr dazu im Artikel „Summer Crottendorf“ in diesem Heft). Die Kita „Sonnenblume“ zieht vorübergehend um. Das marode und in Teilen nicht mehr nutzbare Gebäude wird abgerissen und an selber Stelle neu errichtet.
Das Thema Verkehr wurde – ja, in den letzten dreißig Jahren – völlig vernachlässigt und sich selbst überlassen. Das Ende vom Lied kann erlebt werden auf zugeparkten Gehwegen, Ecken, Grünflächen. Und ein jeder behauptet ein Auto ganz dringend zu brauchen, obwohl eine nicht zu übersehende Anzahl der Fahrzeuge Stehzeuge sind. Ob da ein verbessertes Angebot im öffentlichen Personennahverkehr hilft (die Bahn baut noch bis 2024 an der S-Bahn-Strecke, Bus- und Tramstrecken sind im Gespräch), oder eine echte Förderung von Fuß- und Radverkehr statt noch mehr Parkplätze, sowie ein konsequentes Durchsetzen der gültigen Regeln (StVO), wird die nahe Zukunft zeigen. Denn es wird ernst in einem vollen Stadtteil.
Der aktuelle Anger-Crottendorfer Anzeiger kann unter diesem Link als pdf runtergeladen werden.
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Veröffentlicht: Dienstag, 12. Januar 2021 10:16
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Im aktuellen Anger-Crottendorfer Anzeiger (ACA) berichtete Kerstin Köppen über die Ausstellung „Meine Begegnung mit der Isolation“. Im Rahmen des Ostlichter-Stadtteilkulturfestivals 2020 konnten die Objekte in Texten und Bildern über die Zeit der Quarantäne im Leipziger Osten im blauen Sand | Raum für Gemischtes, Trinitatisstraße 9 angeschaut werden.
Die Pandemie macht es nun möglich, wer die von Bea Nielsen kuratierte und initierte Kunst verpasst hat, kann diese nun noch einmal in einer digitalen Ausstellung bewundern.
Alle Texte und bildnerische Arbeiten werden exklusiv auf der Homepage von Bea Nielsen präsentiert. Unter https://beanielsen.com/das-konzept/ kann dort außerdem gesprochene lyrische Texte angehört werden. Darüber hinaus gibt es Bewegendes über die Isolationszeit der verschiedenen Ausstellenden aus unterschiedlichen Hintergründen und Lebensaltern im ersten Lockdown. Vor allem sei hier auf die Gespräche mit Seniorinnen und einem Mitarbeiter des Seniorenbüros „Inge&Walter“ hingewiesen!
Der Text zur Finissage der Ausstellung im Oktober aus dem ACA stellen wir hier noch einmal ein. Der aktuelle Anger-Crottendorfer Anzeiger kann unter diesem Link als pdf runtergeladen werden.
Ausstellung: „Meine Begegnung mit der Isolation"
Die Ausstellung "Meine Begegnung mit der Isolation" im blauen Sand | Raum für Gemischtes ist mit einer gelungenen Finissage zu Ende gegangen. Die Ausstellung, kuratiert und initiiert von Bea Nielson lief im Rahmen des Ostlichter Festivals vom 17.09. - 08.10. 2020 in Anger-Crottendorf.
Die Lesung startete leicht verzögert, nachdem die Reihen sich etwas verspätet dann doch coronalike gut gefüllt hatten. Dort sorgte der begabte Zeilenschreiber Felix E. Farwick für ein besonders vergnügliches und inspirierendes Hörerlebnis. Das Warten hatte sich absolut gelohnt. Merci dafür, Felix! Schön war es auch, dass einige, die sich bis dato die Ausstellung noch nicht ansehen konnten, die Einladung zum letztmaligen Rundgang gerne annahmen.

Zum Hergang: Zunächst wurde ein Open Call (Auschreibung) zur Ausstellung mit folgendem Text von Bea Nielsen ins Leben gerufen: "Das Leben im Osten von Leipzig ist inter- und subkulturell, liebenswert chaotisch und nachbarschaftlich – mit einem Wort: bunt. Es ist aber auch arm, beengt und einsam. Leben hier ist genauso Hundekacke, Zerfall und Sanierung, echte Solidarität und wird immer teurer.
So unterschiedlich die Lebensentwürfe und -bedingungen der Menschen, so verschieden ihre Wahrnehmung der Isolation in der Zeit der Quarantäne: Während es für die einen Zeit zum Besinnen, Zusammenrücken in der Familie oder WG und den Glauben an die Chance einer besseren Gesellschaft war, bedrängten andere Existenzängste, lebte mancher in tiefer Einsamkeit und auf engsten Raum. Das Wort Struktur erhielt für alle eine nie gekannte Dimension. Auch Solidarität mit den Geflüchteten auf Lesbos und den Benachteiligten im Viertel wurde groß geschrieben.
Wie haben die hier lebenden Menschen die Zeit der sozialen Distanz empfunden? Was für selbstgemachte Bilder oder Videos, welche Art von gesprochenen oder geschriebene Texten sind entstanden? Wie haben die Nachbar*innen einen kreativen, vielleicht auch politischen Umgang mit der für alle irgendwie krassen Situation gefunden?
Im Rahmen des Ostlichter-Stadtteilkulturfestivals 2020 entstand über diesen Zeitraum im Leipziger Osten eine auf Teilhabe setzende Ausstellung von allen für alle, die eben diese Besonderheiten des Stadtteils sichtbar, hörbar und erlebbar machte.
Eingeladen war jede*r unabhängig von Herkunft, Alter und Geschlecht, der*die im Leipziger Osten lebt oder hier künstlerisch tätig ist. Gefragt waren Medien aller Art sowie Texte, die in der Zeit entstanden sind oder diese reflektieren."

Die Zeit vergeht wie im Fluge und inzwischen wurde der blaue Sand wieder in seinen Ursprungszustand zurückversetzt: Ein Begegnungs- und Workshop-Raum in Anger-Crottendorf. Bea Nielsen und das Team vom blauen Sand schauen mit gutem Gefühl auf das Ausstellungsprojekt zurück, wünschen allen Beteiligten, Interessierten und Gästen viel Inspiration und kreative Schaffenskraft und nicht zuletzt wegen des Themas: Big Gesundheit für jeden.
Als Abrundung im Anschluss der Ausstellung kündigen wir einen kleinen Ausblick diesbezüglich an: Nach dem jetzt offiziellen Ende des Ausstellungsprojektes im Rahmen der Ostlichter wird von Bea Nielsen, der Ausstellungsorganisatorin und Künstlerin, eine digitale Version der Ausstellung angedacht. Was allerdings nur durch Fördermittel umgesetzt werden kann und es ist nicht gesagt, dass diese auch bewilligt werden.
Text und Foto: Kerstin Köppen, blauer Sand
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Veröffentlicht: Dienstag, 05. Januar 2021 16:23
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Im aktuellen Anger-Crottendorfer Anzeiger (ACA) berichteten wir über den PARK(ing) Day 2020 und den Wunsch der Anwohnenden nach einer Quartiersgarage. Diese soll bei dem illegalen Parkverhalten auf Gehwegen, Ecken, Kreuzungen im Quartier für Abhilfe sorgen. Infolge dieser Veranstaltung und auf Anregung des Bürgervereins formulierte der Stadtbezirksbeirat-Ost noch im September 2020 einen wichtigen Antrag. "Der Stadtbezirksbeirat beantragt die Prüfung, auf der Platzfläche zwischen der ehemaligen Feuerwache Ost und der ehemaligen Karl-Krause-Fabrik ein Parkdeck zu errichten" (Vorlage - VII-A-01885).
Nun liegt der Verwaltungsstandpunkt (Vorlage - VII-A-01885-VSP-01) dazu vor und der ist gespickt mit kleinen Informationshäppchen.
Was zu erwarten war, dass der Interimsparkplatz keinen Raum bietet um ein Parkdeck zu errichten. "Die Einrichtung einer Quartiersgarage auf dem Platz vor der Feuerwache Ost ist (...) räumlich nicht möglich. Die aktuell markierten ebenerdigen Stellplätze in der Platzmitte werden von befahrbaren Verkehrsflächen umschlossen und können so jeweils direkt von diesen aus angefahren werden. Bei Errichtung eines mehrgeschossigen Parkdecks müssen dagegen zusätzliche Rampen und Fahrgassen innerhalb des Parkdecks vorgesehen werden, die einen deutlich größeren Flächenbedarf produzieren, der auf diesem Platz nicht gegeben ist."

Im nächsten Satz wird klar, dass die Autofahrenden und Parkplatzsuchenden - wie auch schon im ACA beschrieben - selbst in der Verantwortung sind. "Generell ist zudem davon auszugehen, dass die Stadt Leipzig keine Quartiersgaragen in städtischer Verantwortung baut und betreibt."
Also bleibt alles so wie es ist? Nicht ganz! Denn im Wichtigen Antrag hatte der Stadtbezirksbeirat-Ost die Verwaltung verpflichtet sich mit dem Parkproblem in Anger-Crottendorf weiterhin zu beschäftigen. "Sollte das Prüfergebnis negativ ausfallen, prüft die Stadtverwaltung bis zum Ende des ersten Quartals 2021 Alternativen und stellt dann drei Möglichkeiten vor, das illegale Parken auf Gehwegen, Ecken, Kreuzungen im Viertel zu verhindern/ unterbinden."
Die Verwaltung wird dem nachkommen, verschiebt aber den Abgabetermin um drei Monate. "Auf Grund des negativen Prüfergebnisses zur Einrichtung einer Quartiersgarage durch die Stadt wird geprüft, ob die Parkordnung im Quartier weiter angepasst werden kann, um die Flächen für parkende Kfz effizienter zu nutzen. Ergebnisse zu den Untersuchungen sollen bis Ende des 2. Quartals 2021 vorliegen und können danach vorgestellt werden. Sollte es zur Umsetzung einer neuen Parkordnung im Quartier kommen, wird die Einhaltung in die Überwachung des ruhenden Verkehrs einbezogen. Eine bauliche Umgestaltung der Straßen ist nicht vorgesehen."
Nun weiß der Bürgerverein aus vorangegangener Korrespondenz und Einwohneranfragen an den Stadtrat: "Die Möglichkeiten zu Schaffung legaler Parkmöglichkeiten sind erschöpft" (Vorlage - VII-EF-00896-AW-01). Was die Verwaltung mit "effizienter zu nutzen" meint, bleibt bis zum Sommer noch ihr Geheimnis. Der Bürgerverein findet es allerdings wichtig, dass "die Überwachung des ruhenden Verkehrs" nicht nur an eine eventuelle "neue Parkordnung im Quartier" gebunden wird.
Das letzte Häppchen des Verwaltungsstandpunktes zur Quartiersgarage betrifft die Zukunft des Ortes auf dem sich heute noch der Interimsparkplatz befindet. Dieser soll umgestaltet werden als Weg zum Parkbogen. Außerdem soll er eine Haltestelle für den öffentlichen Personennahverkehr bekommen – übrigens eine Forderung des Bürgervereins der allerersten Stunde. Und diese Haltestelle wird dann ab dem Schuljahr 2026/27 den Grundschulstandort erschließen, der auf dem Gelände des Garagenhofes Bahndamm Anger-Crottendorf e.V. entstehen soll. Wir hatten dazu auch schon im aktuellen ACA berichtet. „Im Zusammenhang mit der Planung eines neuen Schulstandortes für eine Grundschule sowie der Planung und Realisierung des Bauvorhabens Parkbogen-Ost, ist ein Wettbewerb zur Gestaltung des Platzes in der Theodor-Neubauer-Straße vor der Feuerwache Ost bereits in Vorbereitung und soll zeitnah starten. Zudem gibt es Planungen der Leipziger Verkehrsbetriebe, dort vor der Inbetriebnahme des Schulstandortes eine neue ÖPNV-Haltestelle bzw. Linienanbindung zu schaffen.“
Mit dem Spatenstich für die Grundschule und dem Abriss der Garagen ergießen sich dann spätestens im Jahr 2024 noch einmal ca. 170 Fahrzeuge ins Viertel. Zeit also, dass die Verwaltung Lösungen anbietet.
Der aktuelle Anger-Crottendorfer Anzeiger (ACA) kann unter diesem Link als pdf runtergeladen werden.
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Veröffentlicht: Mittwoch, 14. Oktober 2020 21:58
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Einige Teilnehmende des diesjährigen PARK(ing) Days hatten sich in den Diskussionen untereinander und mit dem Bürgerverein für ein Parkhaus ausgesprochen. Dies würde das Parkchaos verhindern und die Menschen könnten die Gehwege wieder ungehindert und gefährdungsfrei nutzen. So die Meinungen der Anwohnenden.
Der gleichen Meinung war auch ein Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl im Frühjahr 2020. Quartiersgaragen, also Tiefgaragen in Innenhöfen, forderte auch der im Wahlkampf seltsam unsichtbare Sebastian Gemkow. Am Ende wurde nichts aus seinen Oberbürgermeisterträumen. Aber wie sieht es mit den Parkhäusern aus? Die Idee ist gut, nur gibt es da ein Problem. Das Geld.
Und damit ist nicht die finanzielle Lage in der Stadtkasse gemeint, sondern der Geldbeutel jedes einzelnen. Denn ein Stellplatz in einem Parkhaus erfordert Mietzahlungen – jeden Monat. Das schienen die Beführwortenden beim PARK(ing) Day und schien auch Herr Gemko bei ihren Argumentationen gern zu vergessen. Auf dem Gehweg wird ja meist kostenlos geparkt.
Aber über welche Beträge reden wir eigentlich? Ein Doppelparker-Platz in einer Tiefgarage in der Theodor-Neubauer-Straße kostet aktuell 70 Euro pro Monat. Der war zum Redaktionsschluss des ACAs übrigens noch zu haben – schon länger übrigens. Den gab es aber vor einigen Jahren noch für nur 45 Euro.
Ein Blick in die Vergangenheit und ans andere Ende der Stadt schafft Aufklärung.
Parkchaos gibt es nämlich in Leipzig schon viel länger. Anger-Crottendorf wurde davon erst in den letzten Jahren eingeholt. Wesentlich länger bestand dies nämlich in den umgangssprachlichen Gewinnervierteln – hier am Beispiel Schleußig.

Anfang der Zehnerjahre taten sich dort Anwohnende, Stadtverwaltung und ein Investor zusammen. Ziel war es, ein zu bebauendes Grundstück um eine Quartiersgarage (bzw. eine weitere Tiefgaragenebene) zu erweitern, sodass Anwohnende des Viertels dort ihr Fahrzeug abstellen können und eben nicht mehr die Gehwege beparken. Nach mehreren Workshops mit Bürger*innenbeteiligung wurde der Bebauungsplan Nr. 415 "Quartiersgarage Rochlitzstraße" (Vorlage – VI-DS-01631) allerdings am 16.12.2015 von der Ratsversammlung aufgehoben. Heute ist das Grundstück immer noch nicht bebaut, aber man kann dort einen Stellplatz mieten – für 49 Euro pro Monat.
Was war passiert?
Dazu reicht ein Blick in die „Beschreibung des Sachverhaltes“ der genannten Vorlage. Dort ist zu lesen: „In vorangegangenen Gesprächen hatte der Grundstückseigentümer seine Bereitschaft erklärt, eine zusätzliche Tiefgaragenebene mit weiteren ca. 70 Stellplätzen zu errichten und an Dritte zu vermieten. Allerdings wurde die Errichtung und Betreibung dieser zusätzlichen Stellplätze nur dann als wirtschaftlich möglich eingeschätzt, wenn die Stadt Leipzig einen Investitionszuschuss in Höhe von ca. 1,65 Mio € beisteuert oder eine Mietausfallbürgschaft übernimmt. Die Höhe des begehrten Zuschuss ist nach Überprüfung durch die Stadt plausibel. (…) Eine Förderung der Stellplätze in dieser Höhe ist jedoch aus dem Gebiet heraus aufgrund der relativ geringen Erlöse aus Stellplatzablösegebühren nicht möglich (es stehen max. 50.000 Euro zur Verfügung). Dieses Modell kann daher nicht weiter verfolgt werden.“
Was bedeuten die Zahlen konkret? Es sei dem Investor eine Abschreibung über zehn Jahre gegönnt. Teilt man den Investitionszuschuss der Stadt durch 120 Monate und noch einmal durch die 70 Stellplätze ergibt sich eine Stellplatzmiete von knapp 200 Euro pro Monat. Wer will das in Anger-Crottendorf zahlen? In Schleußig wollte das niemand.
Fakt ist: Der öffentliche Raum gehört allen. Zwei Drittel davon werden aber von einer Minderheit für sich und ihre motorisierten Untersätze beansprucht. Ein Umstand den die Mehrheit nicht mehr hinnimmt. Zudem ist Bauen aktuell sehr teuer. Das hat viel mit einer wachsenden Stadt zu tun, aber eben auch mit einer Immobilienblase, in der Grundstücke Spekulationsobjekte mit steigendem Wert sind, die schneller den Besitzer wechseln als andere ihre Winterreifen. Das Gelände der Karl-Krause-Fabrik, welches beim PARK(ing) Day im Gespräch war für einen Parkhausstandort, wird aus eben diesem letzten Punkt ausfallen. Das ist die Lehre aus dem hochpreisigen Schleußig.
Was könnte helfen? Eine Quartiersgarage auf einem stadteigenem Grundstück? Davon gibt es leider nicht mehr viele in der entsprechenden Größe.
Wie weiter Anger-Crottendorf?
Ein findiges Mitglied für Bündnis '90/ Die Grünen (!) im Stadtbezirksberat-Ost brachte im Oktober einen Antrag ins Verfahren (Vorlage – VII-A-01885). „Der OBM beauftragt die Stadtverwaltung bis zum Jahresende 2020 zu prüfen, ob die Errichtung eines Parkdecks auf dem Interimsparkplatz Theodor-Neubauer-Straße möglich ist. Das mehrstöckige Parkdeck (ähnlich dem in der Mockauer Straße, Höhe LMC) (soll) in einfacher Bauweise und reversibel für mindestens 100 PKW ausgelegt errichtet werden und für die Nutzenden kostenpflichtig sein. Sollte das Prüfergebnis positiv ausfallen, stellt die Stadtverwaltung die zu erwartenden Kosten weiterer Planungen in den Doppelhaushalt 2021/ 2022 ein und setzt das Bauvorhaben entweder selbst um oder sucht nach einem privaten Investor/ Betreiber.“
Verwaltungsstandpunkt steht noch aus – der Inhalt ist aber schon abzusehen.