Untersuchungsauftrag: Quartiersgarage

In der Auslobung der Stadtverwaltung für den Realisierungswettbewerb „Neugestaltung Polygraphplatz in Anger-Crottendorf“ 2022 [der ACA berichtete] sollten die Architekturbüros ein Kopfgebäude mit berücksichtigen. Dieses wurde auf der heutigen Brache an der Spitze der Theodor-Neubauer- und Gregor-Fuchs-Straße verortet. Im Zuge des Neubaus der Rettungswache bis 2030 wäre dies eine Stelle, an der eine Quartiersgarage entstehen könnte. Der Untersuchungsauftrag zu diesem Gebäude war eine weitere Schlussfolgerung aus den Ergebnissen der Parkraumanalyse.

Da reine Parkhäuser in Wohngebieten nicht funktionieren – sie konkurrieren mit dem kostenfreien Stellplatz im öffentlichen Raum – dachte die Stadtverwaltung darüber nach, wie so ein Gebäude mit 300 bis 380 Stellplätzen trotzdem wirtschaftlich gebaut und betrieben werden könnte. Das vorläufige Ergebnis dieses Denkprozesses ist eine gestapelte Nutzung aus Rettungswache, Gewerbeeinheit und einem sogenannten Quartiershub. Letzterer zeichnet sich dadurch aus, dass hier verschiedene Mobilitätsformen miteinander verbunden werden. Der Bus, Fahrradstellplätze, Carsharing-Flächen und private Stellplätze. Dazu ist als Ankermieter ein Lebensmittel-Nahversorger angedacht. Die Stadtverwaltung befindet sich aktuell – so beschrieb es ein Vertreter in der Stadtbezirksbeiratssitzung am 11. April 2024 – in Gesprächen mit möglichen Investoren. Denn klar ist, das Vorhalten von (im besten Falle noch kostenfreien) Stellplätzen ist keine Pflichtaufgabe einer Kommune, wie die Stadtverwaltung in einer Antwort auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Stadtrat feststellte (VII-A-10232-VSP-01). Das Gebäude muss also ein Investor bauen und betreiben. Und der will zuallererst Geld verdienen.

Vorstellungen zu einer Quartiersgarage am Neubau der Rettungswache in Anger-Crottendorf. Grafik: Stadt Leipzig

„Die Herstellung eines Stellplatzes in einer Tiefgarage kostet 30.000 Euro! Was eine Stellplatzgebühr von 100 Euro pro Monat zwingend erforderlich macht“, sagte Vicky Felthaus, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Jugend, Schule und Demokratie, in der Stadtratssitzung am 14. April 2022. Diese Zahlen nannte die Bürgermeisterin während der Beratung zur Vorlage für einen Grundschulneubau an der Hans-Beimler-Straße in Möckern. Wohlgemerkt: 2022! Also noch vor Inflation, Baupreissteigerungen, Mindestlohn, schwierigerer Kreditversorgung, etc. Wenn diese Kosten nicht auf die Nutzenden umgelegt werden können – und das können sie nicht, weil dies keiner bezahlen will – muss eine Stapel- und Mehrfachnutzung des Gebäudes möglich sein, sodass sich Kosten anders verteilen. Das geht mit Schulgebäuden nicht wirklich, aber mit einer Rettungswache, wie die Machbarkeitsstudie der Stadtverwaltung 2022 dazu feststellte. Aber wie teuer könnte es denn nun werden?

Michael Jana, Leiter des Leipziger Verkehrs- und Tiefbauamtes brachte am 21. Mai 2024 über die Leipziger Volkszeitung das Bremer Modell ins Gespräch. Die Hansestadt besitzt eine kommunale Parkhausbewirtschaftungsgesellschaft. Die BREPARK GmbH wurde 1957 gegründet. Ihr Tätigkeitsfeld umfasst den Bau und Betrieb von Parkhäusern und -parkplätzen, das Management von privaten Parkeinrichtungen und sie ist auch Bauherrin verschiedener Gebäude und Passagen, in denen zahlreiche Gewerbeobjekte angesiedelt sind. Das sind Gebäude, mit denen man über Gewerbemieten oder deren Verkauf nach Fertigstellung Geld verdienen kann. Das sollte doch die Kosten für einen Stellplatz senken? Ja, aber wahrscheinlich nicht so, wie sich das einige in Leipzig vorstellen.

Quartiersgaragen in Bremen. Grafik: BREPARK

Die Kosten für einen Dauerstellplatz in einem Parkhaus in Bremen variieren je nach Standort und reichen bis zu 185 Euro pro Monat. Selbst Anwohnertarife (Wohnsitz innerhalb von 500m Umkreis zur Parkeinrichtung), die in der Regel um ein Drittel günstiger sind als für nicht-Anwohnende, bewegen sich zwischen 40 Euro und 120 Euro Monatsmiete. Diese Anwohnertarife werden subventioniert durch höhere Tarife für nicht-Anwohnende, z.B. Menschen, die an einem Parkhausstandort arbeiten. Wichtig dabei zu wissen ist, dass alle Gebäude Bestandsgebäude sind. Sie stehen also schon mehrere Jahre und sind unter völlig anderen finanziellen Voraussetzungen (Inflation, Baupreissteigerungen, Mindestlohn, Kreditversorgung, etc.) wie heute entstanden. Keines davon ist ein Neubau, wie in Anger-Crottendorf vorgesehen. Hier im Stadtteil wird zudem auch niemand sein Auto abstellen, weil er oder sie hier arbeiten, und somit einen höheren Tarif zahlen als die Anwohnenden.

Im Bezug auf das Projekt im Stadtteil formulierte es Thomas Dienberg, Bürgermeister und Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau, in der Sitzung des Stadtbezirksbeirates am 11. April noch einmal deutlich: „Eine Quartiersgarage ist nicht ohne Geld, Investition und Betriebskosten zu bewirtschaften.“ Es gilt herauszufinden, „bis wohin eigentlich Anwohnerinnen und Anwohner bereit sind, einen solchen Stellplatz anzumieten.“ Und: „Kann eine Quartiersgarage einen signifikanten Beitrag zur Problemstellung Parken überhaupt leisten?“ Thomas Dienberg sieht Anger-Crottendorf als einen Experimentierraum, in dem all das ausgetestet werden kann, bevor dies vielleicht als Blaupause in andere Stadtteile übertragen werden kann. Darüber hinaus ist für ihn aber nicht vorstellbar, dass „wir einen riesengroßen Teil des öffentlichen Raumes nur für das Abstellen von Autos nutzen. Wir müssen dieses Problem angehen, aber nur unter der Voraussetzung, dass wir die Bedürfnisse anderer am öffentlichen Raum mit sehen.“

Ein Teil der Gesellschaft wartet also auf die Kennzahlen eines Investors. Das wird der Casus knacksus. Mit günstigem Parken ist zukünftig nicht zu rechnen.

BREPARK im Netz

www.brepark.de

 

„Untersuchungsauftrag: Quartiersgarage“ von Darius N. Ehrlicher erschien erstmals am 26.08.2024 im Anger-Crottendorfer Anzeiger 22/ 2024.

Alle Ausgaben des Stadtteilheftes stehen unter folgendem Link als Download zur Verfügung: www.bv-anger-crottendorf.de/anger-crottendorfer-anzeiger