Der Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V. hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem wichtigen Akteur im Stadtteil entwickelt. Was als kleine Initiative begann, ist heute eine treibende Kraft für soziale, kulturelle und infrastrukturelle Veränderungen. Der Verein fördert das nachbarschaftliche Miteinander, setzt sich für den Erhalt öffentlicher Plätze und grüner Oasen ein und schafft Raum für kulturelle Begegnungen. In enger Zusammenarbeit mit lokalen Partnern organisieren wir Putzaktionen, Kulturveranstaltungen und Informationsnachmittage, um das soziale Leben zu bereichern und aktiv zur Stadtteilgestaltung beizutragen. Nach dem Rückblick auf die ersten fünf Jahre des Vereins in der Frühjahrsausgabe des Anger-Crottendorfer Anzeigers folgt hier das Bemerkenswerte der letzten fünf Jahre.
Nachbarschaftliches Miteinander
Ich erwähnte es bereits: Ende 2020 informierten wir zum geplanten neuen Schulstandort und dem damit verbundenen Abriss von zwei Garagenhöfen hinter der alten Feuerwache. Zeitgleich unterstützten wir leidtragende Anwohnende, in dem wir das Gehwegparken mit Hilfe des Ordnungsamtes in vier Straßen im Quartier zurück drängten. Durch diese beiden Aktionen gerieten wir ins Visier von Menschen, die sich die vergangenen dreißig Jahre ganz muckelig eingerichtet hatten – im Falle der Falschparkenden rechtswidrig und auf Kosten der Gesellschaft.

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In dieses vermeintlich ungehörige Tun unsererseits hinein gründete sich ein Gegenverein im Stadtteil, der sich – laut der Berichterstattung in der Leipziger Volkszeitung – den Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V. als Feind auserkoren hatte. Unterstützung fand der Verein bei Ronald Pohle (CDU), der selbst einen Groll gegen den Bürgerverein hegte, seitdem der Anger-Crottendorfer Anzeiger in der Ausgabe 13/2021 über “Das etwas merkwürdige Verhältnis zur Demokratie von Ronald Pohle” berichtet und in der Ausgabe 15/2022 “Mit dem falschen Parteibuch in die Demokratiekrise” ergänzt hatte. Den Groll konnten ihm auch Landtagskolleginnen nicht ausreden als sie ihm empfahlen: “Ronald, wenn Du ein Problem mit Menschen in Deinen Wahlkreis hast, solltest Du vielleicht mal mit ihnen reden.” Pohle hat nie das Gespräch gesucht sondern ließ sich statt dessen mit den Worten zitieren: “Den Bürgerverein mache ich fertig.” Da Ronald aber niemand gesagt hat, wie das geht, feiern wir in diesem Jahr zehnjähriges Bestehen. Inzwischen ist stadtteilweit bekannt, worum es dem selbst erklärten Gegenverein geht. “Wir sind der Bürgerverein, der die Interessen aller Bürger in Anger-Crottendorf vertritt”, heißt es in der Selbstbeschreibung und erzählt damit so viel von der Unkenntnis darüber, wie Vereine funktionieren, welche Aufgaben und welche Möglichkeiten diese haben. Auch vier Jahre nach der Gründung steht nichts auf deren Habenseite. Ohne Inhalte schaltet man dann die eben eigene Homepage ab, zum sprichwörtlichen sich Auskotzen und schlechte Stimmung verbreiten reicht schließlich das (a)soziale Medium Facebook. Dazwischen wollte man mich noch verklagen, als Mitglied im Stadtbezirksbeirat Ost absetzen, den Anger-Crottendorfer Anzeiger verbieten und auch sonst ließ man keine Gelegenheit aus, mit Dreck zu werfen und sich an mir und dem Bürgerverein in aller Öffentlichkeit abzuarbeiten. Ich empfinde es als sehr schade für die Bürgerinnen und Bürger, die in diesem Verein organisiert sind. Vier Jahre sind ein lange Zeit, da hätte man einiges für sich und den Stadtteil erreichen können. Oh doch, ich muss mich korrigieren, eine handfeste Sache haben sie geschafft: Anger-Crottendorf ist inzwischen nicht mehr Ronald Pohles Wahlkreis.
Infrastrukturelle Veränderungen
Das eigene Umfeld mitgestalten war schon immer unser Anliegen im Bürgerverein. Der fehlende Anschluss an den öffentlichen Personennahverkehr war ebenso ein Arbeitsschwerpunkt. Für kurze Wege für alle zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel starteten wir 2021 mit dem Experiment Quartierbus, den wir als Gemeinschaftsprojekt am 18. September einen Tag lang durch den Stadtteil fahren ließen. Diese Aktion kam trotz Regens super an. Davon beeindruckt organisierten die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) im Jahr darauf einen eigenen Bus, der eine Woche lang ordentlich angebunden durchs Quartier fuhr – schon damals mit sensationellem Erfolg! Aus diesen Aktionen heraus wuchs eine tolle Zusammenarbeit mit den LVB, die wir sehr schätzen.
Für bequemen und sicheren Fußverkehr für alle luden wir 2021 den Fußverkehrsbeauftragen der Stadt nach Anger-Crottendorf. Bei dem Rundgang mit Friedemann Goerl konnten wir Problemstellen zeigen und Lösungen besprechen. Darüber hinaus organisierten wir Pop-up-Radwege und luden zu PARK(ing)-Days an verschiedenen Standorten. Ziel dabei war es immer, nach den Bedarfen der Anwohnenden zu fragen aber auch über städtische Ziele zu informieren.

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Schulwegsicherheit ist ein Thema, welches unmittelbar in den Kontext Straßenverkehr hineinspielt. So war es den Eltern schon lange ein Anliegen, in der Stünzer Straße Raum für einen sicheren Schulweg zu schaffen. Wir organisierten 2021 einen PARK(ing)- Day zwischen der 74. Grundschule und der Kita DschungelBande, sodass dieser Straßenabschnitt auch einmal anders erlebt werden konnte, nämlich ohne Autos als sicheren Bewegungsraum und als Begegnungsort für Menschen. Zusammen mit den Elternräten von Kita und Grundschule, mit den Fördervereinen sowie der Stadtverwaltung ist uns schließlich gelungen, was so lange unmöglich schien. Der verkehrsberuhigte Abschnitt entstand 2024, enkeltauglich mit viel Grün und Regenwassermanagement.
Die Quartiersschule Ihmelsstraße und das Projekt Parkbogen Ost waren seinerzeit die Initialzündungen für die Stadtteilentwicklung, die lange auf sich warten ließ. Da so eine Entwicklung aber nicht im luftleeren Raum vorüber geht, fanden in den Jahren 2022/ 2023 über 40 Veranstaltungen mit Informations- und Beteiligungscharakter statt. Bürgerinnen und Bürger konnten sich dabei einbringen: zum Parkbogen Ost, Polygraphplatz, Umbau Stünzer Straße, Grundschulneubau. Die von der Stadtverwaltung, dem Quartiersmanagement und dem Nachbarschaftsmanagement durchgeführten Veranstaltungen zeichneten sich leider durch eine zunehmend unterirdische Diskussionskultur aus, die geprägt war von Faktenfreiheit und Beratungsresistenz bei einigen Teilnehmenden. Der eigene Parkplatz ist denen dann doch immer noch näher als die notwendige Anpassung an den Klimawandel, gute Bildung und einen lebenswerten Stadtteil auch für zukünftige Generationen.
Inzwischen leben über 12.800 Menschen in Anger-Crottendorf, ein Plus von 4.500 bzw. 55% über die vergangenen 25 Jahre. Das Thema Wohnen brennt in einer vollen Stadt zunehmend unter den Nägeln. Die Entwicklung der Mieten kennt nur eine Richtung – schwierig in einem Stadtteil mit unterdurchschnittlichem Einkommen. Nur wenige kommunale Mittel wie die Soziale Erhaltungssatzung stehen zur Verfügung um dämpfend einzugreifen. Mit der Mieteninitiative Anger-Crottendorf/ Reudnitz haben wir 2022 über das Problem falscher Nebenkostenabrechnungen und Mieterrechte informiert. Auch andere Finanzierungsformen fürs Wohnen wie neue Genossenschaften oder Konzeptvergabeverfahren haben wir im Anger-Crottendorfer Anzeiger vorgestellt.
Ende 2022 starteten wir ein Gesprächs- und Informationsformat mit Live-Musik – der “Salon der Zukunft”. Mit wissenschaftlicher Unterstützung der scientists for future näherten wir uns interaktiv dem Problem Klimawandel und welche Auswirkungen dieser auf Anger-Crottendorf haben wird, welche Handlungsmöglichkeiten jede und jeder Einzelne hat und wer dabei unterstützt. Bis 2024 fanden sechs Salons statt zu den Themen: Wohnen in der Zukunft, Solidarische Landwirtschaft, Klimanotstand und ziviler Ungehorsam, Teilen statt Horten, Verkehr der Zukunft und Gemeinwohlökonomie. In allen Salons unterstrichen die Referierenden, wie wichtig Anpassungsmaßnahmen sind und sein werden und alles in Allem wurde deutlich: Dem Klimawandel entgegnen wir nur solidarisch, gemeinsam und kapitalismuskritisch!
Kulturelle Veränderungen
Kultur findet im Stadtteil nur durch (Eigen)Initiative statt. Ostwache, Sphere Radio, Kleingartenvereine, Kirchgemeinde und andere – mittlerweile haben sich einige Veranstaltungen zu festen Programmpunkten im Jahr entwickelt. Bisweilen bitten auch wir zu ganz eigenen Programmen, welche sich gern an lokalen Landmarken orientieren: 2021 luden wir ein zu “KULTUR in der Kultur” – zu Sommertheater, Kino und Flohmarkt in den Kleingartenverein “Kultur” e.V. Hanns Eisler ehrten wir 2023 zu seinem 125. Geburtstag mit einem kleinen Festival – auch in Anger-Crottendorf, weil im Stadtteil eine Straße nach dem Komponisten benannt ist. Mit dem Gedanken, dass Kunst und Kultur Menschen zusammenbringt – obwohl Eislers Musik im Grunde eher eigenwillig und ganz und gar nicht schunkel- und bierselig ist. Im Rahmen unseres 10. Geburtstages zeigten wir eine Kunstausstellung mit dem Titel “Veränderungen”. Unser “Tanz in den Mai” hat sich inzwischen auch zu einer festen und beliebten Party entwickelt.

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Mit unseren Veranstaltungen wollen wir Anwohnende und Interessierte nicht nur von der Couch locken. Wir wollen ihnen auch die Möglichkeit geben, sich mal auf ganz andere Art und Weise mit dem Stadtteil auseinanderzusetzen und dazu noch ganz besondere musikalische bzw. künstlerische Highlights zu erleben.
Bisweilen zweifeln wir aber auch manchmal! Wir fragen uns im Bürgerverein: Was macht uns aus? Was wollen wir? Für wen wollen wir das? Wie gehen wir mit kontroversen Meinungen um? Wegziehen? Aufhören? Hinschmeißen? Diese Selbstreflexion führt uns immer wieder zu unseren Wurzeln zurück und bestärkt uns in unserer Grundhaltung. Nebenbei schreiben wir weiterhin Anfragen und Anträge, kommunizieren mit der Stadtverwaltung und den angeschlossenen Unternehmen und gehen zu Workshops und Informationsveranstaltungen und bringen uns dort für den Stadtteil ein.

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Zukunft
Es ist viel passiert in den vergangenen 10 Jahren. Manches ging leicht von der Hand, Vieles oft nur schwer. Höhen und Tiefen waren immer mit dabei. Erfolgreiche und sichtbare Vereinsarbeit braucht Ausdauer und ein dickes Fell. Beides ist unerlässlich für Menschen die gestalten wollen. Und wie geht es weiter?
Im Februar 2024 ging der Quartierbus ans Netz. Nicht nur wir finden den Bus großartig! Ab 2026 wird der Bus Anger-Crottendorf mit Connewitz verbinden! Die Baumaßnahmen am Parkbogen Ost gehen voran, der Polygraphplatz wird aktuell geplant. Welche Formen der Quartiersgaragen es geben wird, ist noch unklar – wenn überhaupt. Auch die Planungen um die neue Grundschule bleiben von Interesse, trotz kleiner werdender kommunaler Finanzen und Budgets. Weniger geboren wird auch – aber nicht im Leipziger Osten. Über allem schwebt eine klimatische Veränderung, die wir erst in ihren Anfängen wahrnehmen und die uns zukünftig noch viel mehr abverlangen wird. Es bleibt spannend und anspruchsvoll.
Dieses Jahr feiert der Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V. nun erst einmal mit alten und neuen Mitstreiterinnen und Mitstreitern sein 10. Jubiläum. Und an dieser Stelle zitiere ich gern meinen geschätzten Kollegen Jens-Eberhard, der es einmal wunderbar zusammenfasste:
“In dieser Konstellation hat der Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V. seit seinem Bestehen Großartiges geleistet: • Wir haben kulturelle Veranstaltung-en gestemmt, die es vorher hier nie gab.
• Wir haben politischen Austausch ermöglicht, der vorher hier nie stattgefunden hat.
• Wir haben Menschen zusammengebracht, die sonst nie zusammengefunden hätten.
• Wir selbst haben uns vernetzt und unseren Horizont erweitert.
• Wir haben Probleme erkannt und auf sie hingewiesen. Wir haben Veränderungen und Verbesserungen unser aller Lebensumstände erfolgreich angestoßen.
• Wir haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Stadtverwaltung unseren Stadtteil stärker als bisher auf dem Schirm hat.
• Wir haben mit dem Anger-Crottendorfer Anzeiger ein identitätsstiftendes Printmedium geschaffen, das – ergänzt durch Homepage und soziale Medien – die Menschen informiert und politisiert – manche sogar Pohlarisiert (sic!).
• Wir haben die Zivilgesellschaft unserer Stadt gestärkt. Informationen über den Stadtteil und Beispiele dafür, wie man ihn von unten durch private und bürgerschaftliche Initiativen verändern kann, können gegen Ohnmachtsgefühle immunisieren.
Die Geschichte des Bürgervereins ist eine Erfolgsgeschichte! Ohne ihn wäre der Stadtteil nicht so, wie er ist. Diese Erfolge, den gesellschaftlichen Gewinn, kann uns und Anger-Crottendorf niemand nehmen.”
Damit machen wir weiter! Und wir laden alle herzlich dazu ein, gemeinsam zu gestalten, Ideen zu entwickeln. Wir vernetzen gern Interessierte und geben Raum für Diskussionen mit Politik und Verwaltung. Wir machen weiter für eine grünere Zukunft. Machen Sie mit!
Ulrike Gebhardt
Vorstand und Gründungsmitglied
Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V.
Hier gehts zum ersten Teil der Geschichte: “10 Jahre Bürgerverein Anger-Crottendorf e.V., in Bewegung viel bewegt – ein Rückblick. Die ersten fünf Jahre”