Ramadan und Zuckerfest haben Muslime und Muslimas gerade hinter sich, für Christinnen und Christen dauert die Fastenzeit, die vorösterliche Bußzeit noch an. An deren Ende steht die Karwoche mit dem Karfreitag, mit dem sich die Kirche in besonderer Weise an den Tod Jesu am Kreuz erinnert.
12. – 20.04. Pessach – Befreiung von Ausbeutung
Noch am Abend vor seiner Hinrichtung hatte Jesus mit seinen Freundinnen und Freunden das Pessach-Fest gefeiert, zur Erinnerung an die Befreiung ihres Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei. Bis heute geschieht dies im Judentum mit dem rituellen Seder-Mahl. Es geht dabei um die Befreiung aller aus Ausbeutung und Zwängen, im emanzipatorischen Sinn, psychisch und individuell ebenso wie materiell und politisch. Für den orthodoxen Leipziger Rabbiner Zsolt Balla ist Pessach daher einer der tiefgründigsten Feiertage, wie er unserer Redaktion erläutert: „Wir erinnern uns nicht nur, sondern wir versuchen, die wundersamen Ereignisse nachzuerleben, wie Gott nicht nur dem jüdischen Volk, sondern der ganzen Welt die Freiheit brachte“.

Foto: Jens-Eberhard Jahn
18. – 20.04. Karfreitag und Ostern – Opfertod und Befreiung vom Tod
Nach christlichem Verständnis ist Jesus Gottes Sohn und mit seinem Opfertod nahm er die Sünden der Menschen auf sich. Sünde ist das, was Menschen von Gott trennt. In der von drei Evangelisten überlieferten biblischen Erzählung reißt der Vorhang im Tempel, der Heiliges und Alltägliches trennt, in dem Moment, als Jesus stirbt. Die Botschaft der Autoren: Der Zugang zu Gott wird unmittelbar. Drei Tage später, an Ostern, wird dann die Auferstehung Jesu bezeugt. Für Hans-Christian Moosdorf, den evangelischen Pfarrer in Anger-Crottendorf, ist Ostern das schönste und wichtigste Fest. Dem ACA erklärt er das so: „Die Tatsache, dass Jesus Christus auferstanden ist und lebt, dass Gottes Macht sogar den Tod in die Schranken weist, ist für mich nicht nur Grundlage meines Glaubens, sondern auch Basis der Hoffnung, dass Gott für alle Probleme unserer Welt, unserer Gesellschaft und meines eigenen Lebens eine gute Lösung hat”.
02.06. Schawuot – das Gesetz
50 Tage nach Pessach folgt das Fest Schawuot zur Erinnerung an den Empfang der Zehn Gebote und der ganzen Torah. Rabbiner Zsolt Balla: „Durch das ungesäuerte Brot an Pessach werden wir daran erinnert, dass Freiheit ohne Regeln nichts wert ist. Wir müssen uns bemühen, besser zu werden, als Individuen und als Gesellschaft. Das ist der Grund, warum die jüdische Tradition Pessach und Schawuot miteinander verbindet“.
05. – 09.06. Opferfest – Befreiung vom Opfern
Bei der Feier des Opferfests geht es um Abraham, den „Stammvater“ von Judentum, Christentum und Islam. Er sollte laut Bibel und Koran auf Befehl Gottes hin einen seiner Söhne opfern, um seinen Gottesgehorsam unter Beweis zu stellen. Im letzten Moment erlässt Gott die Tötung des Sohnes und schickt ein Opfertier als Ersatz. Die vielleicht nebensächliche Frage, ob es sich in diesem Mythos um Isaak, den Sohn Sarahs und Abrahams (in jüdischer und christlicher Tradition) oder Ismael, den Sohn Hagars und Abrahams (in islamischer Tradition, aber dort nicht unumstritten), handelt, beeinträchtigt die interreligiöse Verständigung mitunter. Für den orthodoxen Rabbiner Balla ist es „schwer, diesen Widerspruch zu überwinden“. Pfarrer Moosdorf sieht in der Geschichte „die Absage Gottes an jegliche Menschenopfer. In einer Welt, in der von allen Seiten immer wieder gefordert wird, Opfer zu bringen – nicht nur, aber eben auch, weil sie nicht mehr mit den Möglichkeiten Gottes rechnet – ist diese Geschichte, so denke ich, hochaktuell“. Abraham erfüllte Gottes Willen gerade dadurch, weil er eben nicht opferte. Denn „nicht alles, was der Wille Gottes zu sein scheint, ist dies auch wirklich“, deutet Thomas Hajek, der katholische Pfarrer von St. Laurentius Reudnitz, die biblische Erzählung und folgert: „Gut, dass Abraham sensibel genug war, weiter hinzuhören und aufmerksam zu sein, sodass der Engel Gottes eine Chance hatte, ihm „in den Arm zu fallen“.

Foto: Jens-Eberhard Jahn
08. – 09.06. Pfingsten – der Geist
Laut Neuem Testament trafen sich die Freundinnen und Freunde Jesu, um gemeinsam Schawuot, das Fest des Gesetzes, zu feiern. Dabei werden sie von Gott mit dem Heiligen Geist beschenkt. Hier angeblich christliche Freiheit durch den Geist, dort vermeintlich jüdischer Zwang des Gesetzes. Ein scheinbarer Gegensatz, der seit fast 2000 Jahren zu Antijudaismus beiträgt. Im Geist der Aufklärung formulierte vor knapp 200 Jahren der Dominikanermönch Jean Lacordaire: „Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit.“ Anders gesagt: Wenn Reiche und Mächtige von „Freiheit“ reden, hat das mit „Befreiung von Ausbeutung“ meist nichts zu tun.
Der ACA wünscht allen Leserinnen und Lesern begeisterte und befreiende Festtage!
Jens-Eberhard Jahn