Die klassische Form und der Turm verraten es: Der Bau in der Theodor-Neubauer-Straße am Liselotte-Herrmann- Park ist eine Kirche. Backsteinern außen und innen gemütlich, hölzern, einschiffig, wirkt sie in ihrer bescheidenen Schönheit fast zeitlos. Die 1891 an der gleichen Stelle errichtete provisorische Fachwerk-Kirche wurde am 4. Dezember 1943 bei einem Luftangriff zerstört. Der seit Anfang des 20. Jahrhunderts geplante Kirchenbau am Trinitatisplatz, dort, wo nun seit Jahrzehnten der Konsum ist, wurde nie verwirklicht. Die Trinitatiskirche in ihrer heutigen Form wird in diesem Jahr 75 Jahre alt.

Foto: ACA
Die Trinitatiskirche wurde am Trinitatissonntag 1950, einem 4. Juni, als „Notkirche“ eingeweiht, 27 Meter lang und gut zwölf Meter hoch. Zwischen Rostock und München wurden zwischen 1948 und 1951 insgesamt 43 dieser Kirchen im Baukastensystem errichtet. Sie waren schnell zu errichten, für nicht tragende Wände konnten Trümmersteine verwendet werden und die Baukosten waren nur halb so hoch wie bei Massivbauweise. Anfang der 50er Jahre folgten noch weitere etwa 50 ähnliche Kirchen in Elementbauweise. Die Entwürfe stammten vom badischen Architekten Otto Bartning (1883-1959). Bereits während seiner Studienzeit in Berlin hatte er eine Kirche für Peggau in der Steiermark entworfen und das Projekt umsetzen lassen. Er beendete sein Studium ohne Abschluss, wirkte als freischaffender Architekt im Dunstkreis der Bauhaus-Bewegung und erreichte schließlich einige Bekanntheit durch den Wiederaufbau Helgolands nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei seinem Tod trug der Studienabbrecher als Auszeichnung zwei Ehrendoktortitel sowie das Bundesverdienstkreuz. Bartning gilt heute vor allem als bedeutender Erneuerer der Kirchenarchitektur des vergangenen Jahrhunderts, als Pionier des seriellen Bauens. Von ihm entworfene Kirchen stehen in Deutschland, Österreich, Luxemburg, Spanien, Portugal – und viele davon unter Denkmalschutz. 2012 startete die Otto-Bartning-Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau e.V. die Initiative, die deutschen „Notkirchen“ als sakrales Flächendenkmal ins Unesco-Weltkulturerbe aufzunehmen. Damit würde auch die Trinitatiskirche in Anger-Crottendorf diese Auszeichnung tragen.
In erster Linie aber ist die Kirche Mittelpunkt der evangelischen Gemeinde, die vor zehn Jahren mit der Reudnitzer Gemeinde zur „Dreifaltigkeitsgemeinde“ fusionierte und dabei ihren Namen kaum ändern musste. Denn das lateinische Wort „Trinitas“ (Genitiv: Trinitatis) steht für die göttliche Dreifaltigkeit von Gottvater, Sohn Christus und Heiligem Geist. Anfang 2025 wurde die „Dreifaltigkeitsgemeinde“ mit den Gemeinden in Stötteritz, Thonberg unter dem Dach der Nikolaikirche zum „Herz des Ostens“ zusammengelegt. Pfarrer Hans-Christian Moosdorf erklärt diesen Namen: „Das Herz ist lebensnotwendig aber dessen Arbeit, die es normalerweise völlig unspektakulär und zuverlässig tut, nimmt man in der Regel erst wahr, wenn es ausfällt. Es kommt wohl nicht darauf an, dass Kirche hier mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung bekommt, sondern dass sie zuverlässig ihre Arbeit macht. Davon, dass es ohne diese Arbeit zur gesellschaftlichen Katastrophe führt, bin ich allerdings überzeugt. Ein zweiter Gedanke: Das Herz kann nicht fühlen, aber es reagiert sehr sensibel auf Einflüsse. Diese Sensibilität wünsche ich auch unseren Kirchgemeinden“.
Annette Sondershaus, Kantorin an der Trinitatiskirche in Anger-Crottendorf, zeigt sich überzeugt: „Durch die Strukturanpassung 2025 und unser Schwesterverhältnis zur Nikolaikirchgemeinde haben wir dazu gewonnen. Meine Tätigkeit ändert sich nicht, aber sicher wird es mehr gemeinsame Aktivitäten im musikalischen Bereich geben, wie zum Beispiel im Januar, als alle Kantoreien zusammen in der Nikolaikirche gesungen haben“.
Christinnen und Christen und viele andere in Anger-Crottendorf feiern den 75. Geburtstag ihrer Kirche in einer Zeit des Umbruchs und am Beginn eines neuen organisatorischen, kulturellen und spirituellen Abschnitts des Gemeindelebens. Auf vielen Seiten des Gemeindeblatts „Markusbote“ gibt es in diesem Jahr lesenswerte Beiträge zur Geschichte der Pfarrei und ihres Gebäudes. Am 15. Juni, dem „Trinitatissonntag“ des evangelischen Kirchenjahres, findet um 10 Uhr ein Festgottesdienst statt. Danach, um 15 Uhr, wird Pfarrer Moosdorf in der Kirche in Zusammenarbeit mit dem Ortskuratorium der Deutschen Stiftung Denkmalschutz einen Vortrag halten. Das Thema? Natürlich „Rudolf Bartning und das Notkirchenprogramm”.
Jens-Eberhard Jahn
Kirchenmusikalische „Highlights“ in diesem Jahr
Karfreitag, 18. April, 15 Uhr, Trinitatiskirche
„Stabat Mater“ von Giovanni Battista Pergolesi und Antonio Vivaldi für Sopran (Stefanie Smits), Alt (Sarah Jost) und Streichquartett.
Sonntag, 18. Mai, 10 Uhr, Trinitatiskirche
Kantatengottesdienst mit der Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“, BWV 12. Mit Josefine Wechselberger (Alt), Alexander Hemmann (Tenor), Claus Strassner (Bass), der Kantorei und dem Instrumentalensemble der Dreifaltigkeitskirchgemeinde, sowie Bernhard Vit an der Orgel. Leitung: Annette Sondershaus.
Samstag, 21. Juni, 17 Uhr, Trinitatiskirche
Konzert mit dem Liedermacher Gerhard Schöne und den Kinderchören der Kirchgemeinden Sellerhausen, Stötteritz und Anger-Crottendorf/Reudnitz.
Reformationstag, Freitag, 31. Oktober, 10 Uhr, Trinitatiskirche
Festgottesdienst mit dem Ökumenischen Chor Leipzig (Leitung Felix Flath und Annette Sondershaus), Pfarrer Hans-Christian Moosdorf und Orgel (Bernhard Vit).
Sonntag, 7. Dezember, 16 Uhr, Trinitatiskirche
„Adventsmusik im Kerzenschein“: Kurrende, Kantorei, Intrumente und Orgel musizieren Advents- und Weihnachtslieder.