Obwohl es in der Bauwirtschaft kriselt und Finanzierungen platzen, wird in einer wachsenden Stadt trotzdem gebaut. Auch am Rand von Anger-Crottendorf wird gebaut. Eines der Projekte befindet sich in der Cichoriusstraße 8. Die gemeinnützige Genossenschaft „Inklusiv LEben e.G.“ errichtet hier ein komplett barrierefreies Mehrparteienhaus in energieeffizienter Holzbauweise [der ACA berichtete]. Durch die Initiative des Architekten Dirk Stenzel (ASUNA) und mehrerer engagierter Eltern wurde die Genossenschaft 2021 gegründet. Stenzel hatte im Vorfeld mit seinem innovativen Konzept das städtische Konzeptverfahren gewonnen, mit dem das Grundstück in Erbbaupacht für einen günstigen Pachtzins vergeben wurde.
Ursprünglich sollte der Bau bereits 2022 beginnen. Da sich die Vergaberichtlinien für die fest eingeplante KfW-Förderung allerdings in 2022 grundlegend änderten und parallel dazu die Baupreise stark anstiegen, stand auch das Projekt der „Inklusiv LEben e.G.“ auf der Kippe. Im Oktober 2022 stimmte der Leipziger Stadtrat mit den Stimmen von SPD, Linken und Bündnis 90/Die Grünen einer umfangreichen Sonderförderung für alle Vorhaben zu, die bis dahin im Rahmen des oben genannten Konzeptvergabeverfahrens vergeben wurden. Das ambitionierte Projekt in der Cichoriusstraße 8 konnte damit trotz erheblicher Kostensteigerungen in die Tat umgesetzt werden.
Zum ersten Spatenstich am 16. Juni 2023 sagte Baubürgermeister Thomas Dienberg: „Hut ab! Die Wohnungsgenossenschaft „Inklusiv LEben e.G.“ hat bei diesem Konzeptverfahren so viele aktuelle Belange mitgedacht: 100% sozialer Wohnungsbau, plus inklusivem und gemeinschaftlichem Wohnraum, gepaart mit nachhaltiger Holzbauweise. Es freut mich, dass solch ein Projekt mit verschiedenen kommunalen und Landesfördermitteln unterstützt werden kann und damit – trotz der derzeit erschwerten Bedingungen im Baugewerbe – realisiert wird.“
Richard Werban vom Innovativen Netzwerk Wohnen mit Behinderung (INWoB), in dem auch die „Inklusiv LEben e.G.“ als Netzwerkpartnerin vertreten ist, wies auf die besondere Bedeutung solcher Projekte in Zeiten ansteigender Mieten und knapper werdenden Wohnraums insbesondere für Menschen mit Behinderung hin: “Das Ziel muss darin bestehen bezahlbaren, adäquaten und barrierefreien Wohnraum für alle zu schaffen. Menschen mit Behinderung haben dabei keine besonderen Bedürfnisse. Eine passende Wohnung zu finden, die so viel Selbstbestimmung bietet wie möglich, ist nämlich kein besonderes Bedürfnis, sondern eines, das alle Menschen teilen. Lediglich die jeweilige Gestaltung des Wohnraums unterscheidet sich.“
Mit der Grundsteinlegung am 19. April 2024 entstehen nun zehn Wohneinheiten für inklusives Leben. Die Wohnungen für eine bis fünf Personen werden nach ihrer Fertigstellung als Sozialwohnungen an Menschen vergeben, die aufgrund ihres Einkommens besonderen Unterstützungsbedarf haben. Mehrere Wohnungen werden Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stehen, die dort mit entsprechender Assistenz oder in Form einer betreuten Wohngemeinschaft leben.
Eine der Mütter, die an diesem Projekt Anteil hat ist Sabine Holdt. Sie sieht in diesem Wohnhaus die Zukunft ihres Sohnes Max gesichert, der hier in der Wohngemeinschaft ein Zuhause finden wird: „Dieser Schritt in das eigene selbstbestimmte Leben ist ein enorm wichtiger Entwicklungsschritt für Max und für uns Eltern, weil irgendwann werden wir das auch nicht mehr übernehmen können.“ Entsprechend beschreibt sie die Grundsteinlegung als einen rührenden Moment: „Wir haben einen sehr schönen Grundstein gelegt. Max hat einen Hühnergott von der Insel Hiddensee reingelegt und ich Briefe an die Nachwelt“, schwärmt Holdt. „Naja, die lesen das ja erst, wenn das Haus nicht mehr steht.“ Dabei lacht sie und hofft, dass das Haus lange seinen Platz haben kann.
Der Einzug soll im Frühjahr 2025 möglich werden, dafür sucht die Genossenschaft noch Gleichgesinnte, die entweder direkt als Mietende in eine der Wohnungen oder in Max’ WG einziehen wollen. Außerdem gesucht werden Menschen aus dem Umfeld der Cichoriusstraße, die auf die eine oder andere Weise unterstützen wollen – tatkräftig oder finanziell. Ganz einfach geht das z.B. im nahegelegenen Rewe in der Riebeckstraße. Dort kann der Pfandbon in die Spendenbox eingeworfen werden. Holdt wünscht sich, „dass im Umfeld ein Netzwerk entsteht und die Leute, die hier rund herum wohnen, irgendwie auch am Projekt teilhaben können.“
Dann kann das Projekt vom kleinen auch ins große Ganze ausstrahlen und aufzeigen, wie gute Nachbarschaften funktionieren können.
inklusivLEben
Kontakt und alle Informationen zum Projekt, zu den Mitgliedern der Genossenschaft und den zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohnern gibt es unter:
www.inklusivleben.jetzt
Spendenkonto: GLS Gemeinschaftsbank e.G.
IBAN: DE 48 4306 0967 1213 8920 01
BIC: GENODEM1GLS
„Inklusives Wohnen ermöglichen“ von Ulrike Gebhardt erschien erstmals am 26.08.2024 im Anger-Crottendorfer Anzeiger 22/ 2024.
Alle Ausgaben des Stadtteilheftes stehen unter folgendem Link als Download zur Verfügung: www.bv-anger-crottendorf.de/anger-crottendorfer-anzeiger